Grippenspiel

Hat schon jemand versucht, mit entzündeten Stimmbändern per Telefon einen Arzttermin zu organisieren? „Hchochäääächechchäääch.“ – „Aha, Sie hätten bestimmt gerne einen Termin?“ – „Mmhm!“ – „Können Sie mir noch Ihren Vornamen nennen?“ – „Mchachääächchchichchch.“ – „Geht Viertel nach Zehn?“ – „Mmhm!“. Erstaunlich. Praxisassistentinnen müssen ein sehr geschultes Ohr haben, denn meine Akte lag korrekt bereit, als ich dort eingetrudelt bin. Ein Ohr, wie die Apotheker ein Auge benötigen, um die Sauklauen von Ärzten zu entziffern. Ein früherer Hausarzt hat es allerdings auch schon geschafft, dass ich mit dem Apotheker (ein echter Profi auf seinem Gebiet) fünf Minuten über dem Rezept gebrütet habe, bis wir drauf kamen, was mir verschrieben wurde. Aber diesmal sagte das Röntgenbild mehr als tausend Chchchch (und ich will jetzt keinen blöden Kommentar aus dem Ausland, wir würden doch immer so klingen). Neben den angefransten Stimmbändern auch noch eine verschleimte Lunge. Klingt lecker. Der Hinweis, ich solle mich möglichst ausruhen, aber NICHT auf der Seite liegend, weil sich sonst der jeweils untere Lungenflügel abschaltet, machte mich ein KLEIN wenig panisch. Erholt euch mal, wenn ihr im Bett liegt, zur Decke starrt und denkt „Ich darf mich nicht drehen, ich darf mich nicht drehen,…“.

Also hab ich mich aufs Sofa gepackt und, man soll die wache Zeit ja nutzen, DVD’s rausgekramt, die ich schon länger mal gucken wollte. Doofe Idee. Oder doofer Patient, denn grundsätzlich sehe ich Filme im Original mit Untertiteln. Synchronisationen finde ich in den allermeisten Fällen zum Kreischen. Die Untertitel deswegen, weil trotz gutem Englisch halt gerne im Genuschel oder in Explosionen und Geballer die elementaren Textinformationen verschwimmen. Allerdings verschwimmen unter Einsatz eines Medikamentenkontingents, mit dem man locker ein Drittweltland versorgen könnte auch die Untertitel. Schräge Nebenwirkungen meines Gesamtzustandes waren unter anderem sandpapierbehandelte Augäpfel. Trocken wie ein Furz im Wüstenwind. So legte ich also die Filme, die ich noch nicht kannte zur Seite und kramte die Filme raus, die mich erfahrungsgemäss auf der Gefühlsebene erwischen (ja, ich oute mich als Filmschluchzer) um meine Optik zu befeuchten. Hat tatsächlich funktioniert. Da ich den gleichen Effekt auch mit Musik erreiche, wenn nur die richtigen Erinnerungen getriggert werden, muss ich wohl in den nächsten Tagen wieder meine MP3-Sammlung thematisch sortieren. Dank der halbgaren Genesungsphase meiner Stimme kann ich auch in einer rattigen Basslage mitsingen statt immer zu überschlagen. Meine Nachbarn werden mir dankbarer sein als sonst und die Bazillen ergreifen panisch die Flucht. So ist allen geholfen und ich kann auch wieder erkennen, was ich tippe. Man möge die paar Tage Aussetzer entschuldige. Chchchchch.

Aktuell im Ohr: Covenant -  Ritual Noise

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